Kategorien
Marokko

Teil 3 – Marokkanische Gastfreundschaft

Der Anblick unserer Ausrüstung heute morgen ist zutiefst skurril. Unser Auto hat schon wieder einen platten Hinterreifen und unser Zelt steht ganz unförmig daneben, weil eine Stange gebrochen ist. Ich geh lieber erstmal ein paar Fotos machen vom Salzsee im Sonnenaufgang …

LAAYOUNE

Nach Laayoune sind es nur noch 60 km, wir erreichen das Aushängeschild der Westsahara gegen Mittag. Durch einen riesigen Torbogen führt die Straße hinunter zum palmenbewachsenen Oued und weiter hinauf in die über 130.000 Einwohner zählende Stadt. Da meint man, man sei am Ende der Welt angelangt, und plötzlich steht man mitten in einer modernen Stadt. Die UNO und das königliche Militär passen auf, dass hier keine Unruhen entstehen und verleihen Laayoune den Charakter einer Garnisonsstadt.

Wir mieten uns in einem kleinen Hotel ein, den Nachmittag verbringen wir am 20 km weit entfernten Strand. Doch vorher müssen wir wieder mal in die Werkstatt. Diesmal wird der Reifen nicht geflickt, sondern nur eine orange Masse ins Loch gestopft. Jetzt haben wir sicherlich keine Probleme mehr, wird uns versichert. Insha‘allah!

Der ruhige Nachmittag am Strand tut richtig gut. Keine Menschenseele ist zu sehen – ein gemütlicher Ausgleich zum Rummel in den Städten. Auf dem Rückweg halten wir kurz vor Laayoune an, da man einen sehr schönen Blick von einer (bitte!!!) Müllhalde aus auf die Dünenlandschaft mit Oase hat. Wir machen ein paar Fotos und was dann passiert gehört in die Kategorie „Hoppalas“ oder „Blöder geht‘s nicht“. Einen (!!!) Meter neben der asphaltierten Straße vergraben wir unser Auto im Sand! Unglaublich! So peinlich! Unter zu Hilfenahme der Sandbleche sind wir zwar gleich wieder draußen, aber das war seit Langem die sinnloseste Aktion, die wir geliefert haben. Nun bin ich endgültig desillusioniert, was Dünenfahrten mit unserem Fronti angeht. Alex und ich wissen nicht, ob wir lachen oder weinen sollen … wir entschließen uns zu lachen!

Fürs Abendessen finden wir ein total geniales Restaurant, wo eine ganze Horde Militärs wie aufgefädelt hinter den Tischen sitzt und Fußball schaut. Wir nehmen das repas um 20 Dirham und staunen nicht schlecht, was uns aufgetischt wird: ein kleines Schüsselchen Reis und Rhonensalat, Brot, Pommes frites und (bitte!!!) pro Person zwei panierte Fische! Und schmecken tut‘s vorzüglich! Ein Bettler steht plötzlich neben uns und starrt uns an. Alex gibt ihm zwei Brotstücke und als wäre das eine Aufforderung, schaut er auf mein Essen und haut mit meinem Salat ab. Ich weiß gar nicht, wie mir geschieht, aber irgendwie finde ich es auch lustig! Vom Chef des Restaurants bekommt der Mann dann auch noch etwas Brot, Kichererbsen und Wasser. 

Ich weiß nicht warum, aber heute sind hier überall Soldaten, die wohl Dienstschluss haben. Das königliche Militär ist in Laayoune sehr stark vertreten, zusammen mit einer ganzen Kompanie UNO-Mitarbeitern, die mit ihren weißen Geländewägen bzw. Bussen mit der Aufschrift UN das Stadtbild prägen. Mit an der Stoßstange montierten, 3 Meter langen Antennen kurven sie den ganzen Tag in der Gegend herum … LaayoUNO sag ich da nur …

Bis wir am nächsten Tag endlich aus Laayone raus sind, dauert es noch ein wenig. Unser Frühstück nehmen wir wieder bei dem netten Mann mit den guten Joghurts ein, dann tanken wir, geben einem hängengebliebenen, alten Mercedes Starthilfe, ich fotografiere noch zwei UN-Fahrzeuge und diese eierförmigen Häuser, dann haben wir noch einen kleinen Kampf mit einer Gruppe aufdringlicher Kinder und zuguterletzt fährt Alex bei der Ortsausfahrt noch ins Radar. 400 Dirham würde das kosten! Der Polizist ist aber ein total netter Kerl und lässt uns ungestraft ziehen.

Wir nehmen die Route über Smara zurück nach Tan Tan. Die Landschaft ist öd, aber doch irgendwie abwechslungsreich. Die Straße führt wie mit dem Lineal gezogen geradeaus in die Ferne. Links und rechts nichts als weite Wüstenlandschaft, die hie und da gespickt ist mit Berber-Nomaden-Zelten. Bevor wir nach Smara hinein dürfen, müssen wir uns registrieren lassen. Neben einem rosafarbenen Wachhäuschen werden uns von einem freundlichen Polizisten zwei Sessel und von einem zweiten Mann in Militäruniform zwei Gläser Tee angeboten. Der Polizist ist ein schräger Kauz. Er verwickelt uns in Gespräche über Autos, Nummerntafeln und Schaffleisch und notiert nebenbei sämtlichen Inhalt aus unseren Reisepässen auf einem weißen Blatt Papier. Nachher bekommen wir noch eine ausführliche Wegbeschreibung zu einer Metzgerei, wo wir Fleisch kaufen und es uns dort auch gleich grillen lassen sollen. Überschlagsmäßig rechnet er auch gleich die für uns adäquate Menge aus. Also, wenn er für sich 2 kg veranschlagt, dann sollten wir vielleicht ein bisschen weniger kaufen … aaaaha … Wir versprechen hoch und heilig, zu tun, wie uns geheißen, bevor wir vom nun salutierenden Polizisten und dem winkenden Militär unseres Weges geschickt werden. Nach ca. 1 km werden wir wieder angehalten, die gleiche Prozedur wird nun noch einmal vollzogen, diesmal nicht so langwierig, aber mindestens ebenso freundlich. In Smara machen wir einen kurzen Stopp und essen eine Kleinigkeit, nachher geht es weiter durch die Einsamkeit der Wüste, die nur unterbrochen wird von ein paar Tafelbergen, die hin und wieder neben uns aufragen. Bis wir wieder in Tan Tan sind, werden wir noch einmal an einer Kontrollstelle angehalten, wo wir abermals Tee bekommen uns mit zwei lustigen Polizisten buchstäblich zerkugeln. Die Einsamkeit scheint hier eine eigenartige Wirkung auf die Menschen zu haben …

In Tan Tan Plage angekommen entschließen wir uns spontan, neben einer Gruppe Wohnmobilisten direkt am Meer unser Zelt aufzuschlagen. Dem guardian geben wir 10 Dirham, dafür weicht er uns nicht mehr von der Seite, bis wir in den Ort hineinfahren, um noch etwas Proviant für die nächsten Tage zu kaufen. Übermorgen ist das große Fest Aid el-Kebir und wir wissen bis jetzt noch nicht genau, ob nun die Geschäfte nur einen, oder doch drei Tage geschlossen haben. Abends essen wir Brot und Oliven im Zelt, trinken Pastis und schlafen zum Geräusch der Meeresbrandung ein.

IM HAMAM

Zum Frühstück fahren wie heute nach Tan Tan, wo wir uns danach dazu entschließen, endlich einmal ein Hamam, ein öffentliches Bad aufzusuchen. Ich bin noch etwas zögerlich, aber als ich dann an der Kassa meine 7 Dirham bezahlt habe, geht beinahe alles wie von allein. Kaum eingetreten, bekomme ich zwei Eimer und eine Schöpfschale in die Hand gedrückt und jetzt heißt es einfach nur noch, alles richtig machen! Ich stapfe den anderen nackten Frauenkörpern hinterher und folge ihnen in den ersten Raum. Dort wird schon fleißig geschrubbt und gewaschen. Ich muss den Wasserhahn finden! Eine freundliche Frau erkennt in meinem ratlosen Gesichtsausdruck meine Situation und nimmt sich mir an. Sie führt mich in den zweiten Raum, wo ich mir in meinen zwei Eimern das Wasser so zusammen mischen kann, dass es sich wohl temperiert anfühlt. Einen Platz zum Waschen finde ich im dritten, heißesten Raum. Ich versuche, mich so inbrünstig wie möglich zu schrubben, um nicht als europäisches Ferkel aufzufallen, das den Hamam-Besuch nicht ernst nimmt. Die Frauen, Mädchen und Kinder gehen hier sehr freizügig miteinander um. Gegenseitig wird sich hier gewaschen und massiert, liebevoll bürsten sie sich Henna in die Haare und dem Gegenüber wird das Wasser über den Körper geschüttet. Es hat für mich den Anschein, als würde jede Frau peinlichst genau einer Abfolge von Handgriffen folgen, die keine Körperstelle auslässt. Hier gibt es keinen Platz für Berührungsängste und nicht nur einmal bekomme ich das Angebot, dass man mir den Rücken schrubben möchte. Ein Mädchen, das neben mir sitzt, macht mir sogar zweimal dieses Angebot, und hätte ich einen eigenen Waschlappen mit, hätte ich es gerne angenommen. So lehne ich aber für diesmal dankend ab. Was ich heute noch nicht weiß, ist, dass man zum Schluss ein wenig im kühlsten Raum verweilen soll. So verlasse ich zwar höchst zufrieden und porentief rein, aber schwitzend und mit hoch rotem Kopf das Hamam. So ein Besuch im Bad ist genial. Auf jeden Fall ist er einen dreckigen und stinkenden Dusche in einem heruntergekommenen Hotel vorzuziehen. Und die Hemmungen, die ich ursprünglich hatte, habe ich heute abgelegt. 

ID AÎSSA

Den Nachmittag verbringen wir im Auto, auf der Fahrt nach Id Aîssa. Als wir dort ankommen, trifft Alex auf bekannte Kindergesichter, die ihrerseits auch ihn wiedererkennen, da er vor zwei Jahren mit Chris hier einige Tage gecampt hat. Wir schlagen unser Lager am Palmen bewachsenen Oued auf, dort wo auch der Kanal vorbeiführt, der das Wasser der etwas weiter in der Schlucht drinnen liegenden Quelle ins Dorf transportiert. Rund um uns herum wachsen riesige Palmen, blühende Mandel- und uralte Olivenbäume, die eine Unmenge an pechschwarzen Früchten tragen.

Von unserem Zeltplatz aus haben wir einen tollen Blick auf die über uns thronende Speicherburg.

Viele Menschen sind im Dorf zusammengekommen – morgen wird das große Fest, das Aid el-Kebir gefeiert.

Die Dorfbewohner sind ausgesprochen freundlich und die Kinder sehr aufgeschlossen. Auf die Frage, ob wir hier unser Zelt stehen lassen dürfen, wird einstimmig genickt und beteuert, dass wir bleiben können, solange wie wollen. Mit all den Palmen wirkt der Ort wie ein kleines Paradies.

Am Morgen weckt uns der Ruf des Muezzins, der sich tausendfach an den Wänden der steilen Schlucht bricht. Heute ist der Tag des Aid el-Kebir und mir ist mulmig zumute bei dem Gedanken, wie viele Hammel heute ihr Leben lassen werden. Starker Wind ist aufgekommen, der die aus dem Dorf kommenden Geräusche durch das Oued trägt. Ich kann nicht alles interpretieren, will ich auch gar nicht. Es wird gesungen, dann die Predigt durch den Lautsprecher der Moschee, dann Stille … die Hammel haben es wohl endlich hinter sich.

Irgendwann wagen auch wir uns ins Dorf. Schnell vorbei an den aufgespannten Häuten, die zum Trocknen an der Sonne hängen, streben wir den Weg Richtung Speicherburg an, als uns drei Männer mit einem Schaf entgegen kommen. Ich denke nur so bei mir: „Nein, bitte nicht JETZT!!“, versuche aber trotzdem freundlich zu bleiben, denn mir ist bewusst, dass mein Einfluss in Bezug auf Mitleid mit dem Tier hier gegen Null tendiert. Jedenfalls ist dem Schaf keine Panik anzusehen, überhaupt herrscht eine ungewöhnliche Ruhe im Dorf. Wir nehmen den steilen Pfad, der oberhalb des Dorfes entlang führt und irgendwann drehe ich mich doch noch einmal um. Das Schaf liegt am Boden und zappelt, einer der Männer streichelt es, eine Weile noch, ich weiß nicht wie lange, aber ich habe es nicht schreien hören. 

Als wir an der Speicherburg oben ankommen, wartet bereits ein Franzose mit seiner kleinen Tochter auf den Jungen mit dem Schlüssel. So haben wir Glück und können das imposante Bauwerk auch von Innen besichtigen. In insgesamt sechs Etagen und einer Unmenge von einzelnen Kammern wurde hier früher das Getreide gelagert.

Wir verbringen noch einige Zeit hier oben und genießen den fantastischen Ausblick auf den Palmen bestandenen Oued. Vom Dorf herauf dröhnen mittlerweile die Stimmen der feiernden Menschen. 

Als wir zurück sind, werden wir von ein paar Jungs zum Tee eingeladen. Weitere Kinder scharen sich um uns und sagen im Chor Berber-Worte vor, die wir wiederholen müssen. Ein Geschrei ist das! Nach einer halben Stunde bin ich fast taub! Alex lernt inzwischen Abdo kennen, den wir so schnell nicht mehr loswerden. Abends kommen Hassan und Ahmed vorbei und rauchen sich bei uns am Lagerfeuer sitzend ein. Irgendwie finde ich die beiden lustig, eines ist allerdings klar: mit der Ruhe ist es jetzt vorbei.

Am nächsten Morgen begleitet uns Abdo zur Quelle, wo wir einen gemütlichen, wortkargen Vormittag verbringen. Alex und ich lesen und dem sonst so redseligen Abdo bleibt nichts anderes übrig, als in einem schattigen Plätzchen ein Nickerchen zu machen.

Danach werden wir dazu verpflichtet, ihn zu sich nach Hause zu begleiten, wo uns seine Mutter, die alles furchtbar lustig findet, Tee und Kakao serviert. 

Alex und ich sind nun schon einige Zeit in Marokko unterwegs und irgendwie finden wir diese ständigen Einladungen schon fast ein bisschen anstrengend. Wir wollen einfach mal unsere Ruhe und abends alleine am Lagerfeuer sitzen. Aber das ist hier nicht möglich, da erstens schon jeder hier im Dorf zu wissen scheint, dass wir hier sind, und zweitens aufgrund des Großen Festes alle Jungen und Jugendlichen nach Hause ins Dorf gekommen sind, wo ihnen offensichtlich langweilig ist und sie daher Abwechslung in unserer Anwesenheit suchen. Abends kommen wieder Hassan und Ahmed. Alex und ich essen, die beiden anderen rauchen ihren Joint. Ihre Anwesenheit ist total belustigend, da sie sich immer gegenseitig ausbessern und der eine stets dem anderen mit „Il est fou!“ den Wind aus den Segeln nimmt.

„Wind“ – das ist auch das Schlagwort des nächsten Morgens. Wir sind zwar durch die Palmen und Mandelbäume etwas geschützt, aber trotzdem ist es nicht so einfach, den Kiri auf dem Brot zu behalten. Abermals nehmen wir den paradiesischen, durch die Palmengärten und am Kanal entlang führenden Weg zur source, wo wir wieder einen gemütlichen Lese-Vormittag verbringen, bevor wir am Nachmittag mit Ali zur Speicherburg von Amtoudi wandern.

Auf dem ohnehin schon beschwerlichen Weg muss ich noch einen gewichtigen Schafwoll-Umhang mit mir schleppen, den mir zuvor Ahmed umgehängt hat. Ich solle ihn mitnehmen gegen die Kälte! Lieb hat er das gemeint und jetzt schwitze ich wie ein Esel … dafür schau ich zusammen mit meinen edoukan (Babouche) ziemlich Berber like aus!

Das viele Gehen und kaum was Essen lässt mich dann fast zusammen klappen, sodass Alex mir liebevoll Kaffee kocht und mich mit Joghurt abfüllt. Mittlerweile schaffen uns auch diese ständigen Besuche und Einladungen, aber wir wollen auch nicht unhöflich erscheinen, denn immerhin sind wir ja die Gäste hier und haben daher kein Recht, darauf zu bestehen, dass wir in Ruhe gelassen werden. Ich würde nur gerne wieder einmal eine halbe Stunde wo sitzen, ohne angequatscht zu werden. Es ist wohl an der Zeit, dass wir unsere Zelte hier abbrechen. Doch vorher verbringen wir noch einen lustig angenehmen Abend mit Hassan und Ahmed und einem Freund der beiden, Hussein. Ahmed hat ein wahnsinnig zartes Stück Hammelfleisch und die Zutaten für Tajine mitgebracht. Ahmed ist so ein lieber Typ und für seine 18 Jahre hat er schon eine sehr stark ausgeprägte und angenehme Persönlichkeit. Zu vorgerückter Stunden kommen noch zwei weitere, kuriose Zeitgenossen vorbei. Wir lachen und essen und verbringen noch einen unvergesslichen Abend zusammen mit diesen sympathischen Menschen am Lagerfeuer, bevor wir am nächsten Tag Id Aîssa verlassen und weiterziehen.

TATA

Wie genießen die Weiterfahrt, die uns durch einsame, aber wunderschöne Wüstenlandschaft führt. Zwischendurch halten wir bei einer gewaltigen Palmenoase. Alex sammelt leckere Datteln und wir essen genüsslich unter einer Palme sitzend saftige Orangen. Am Nachmittag erreichen wir Tata, das ein gemütliches Städtchen zu sein scheint, dem wohl Aid el-Kebir noch in den Knochen steckt. Wir trinken am Hauptplatz gemütlich einen Kaffee und mieten uns im Hotel El Salam ein, eine etwas heruntergekommene Bude, aber wohl immer noch das Beste, was man für 40 Dirham kriegen kann. Den Sonnenuntergang genießen wir etwas außerhalb der Stadt mit Blick auf eine Art Ruinen-Dorf, das sich sanft über einen Bergrücken schmiegt und im letzten Tageslicht zusammen mit den Palmen im Vordergrund und den bizarren Bergen im Hintergrund ein fabelhaftes Bild abgibt.

Auf der Rückfahrt nach Tata halten wir bei einer Bar, wo Bier ausgeschenkt und lautstark Fußball ausgestrahlt wird. In Tunesien wird gerade der African Cup ausgetragen und Marokko scheint gut im Rennen zu liegen. Kaum sitzen wir, hat uns auch schon der Nachbartisch im Auge. Bald darauf werden wir auf Bier eingeladen und schließen auch schon Bekanntschaft mit dem in Paris lebenden Brahim und seinen beiden Kollegen, einer Professor in Tata, der andere in Smara (hab die Namen der beiden in dem Bar-Geschrei nicht registrieren können). Brahim redet uns in gewohnter marokkanischer Art einfach in Grund und Boden und am Ende nehmen wir die Einladung zum Tajine Essen an. Das geht hier offensichtlich ganz einfach: Man(n) ruft zuhause an und Mama und Schwestern springen schon, um für die spontanen Gäste aufzukochen. 

Alex und ich besorgen noch Tee und Zucker – ein stets willkommenes Gastgeschenk in Marokko. Ein paar Kilometer außerhalb von Tata liegt Brahims Heim bzw. Elternhaus. Zusammen mit seinen beiden Brüdern nehmen wir auf dem Boden Platz und ich darf von der skurrilen, kleinen Mama beauftragt, höchstpersönlich die Tajine servieren. Inzwischen muss es schon mindestens 22 Uhr sein, wir sind hungrig und es schmeckt vorzüglich.

Brahims Familie ist total nett. Die Eltern sind zwei klitzekleine, lustige Personen und besonders die Mama scheint einen Narren an mir gefressen zu haben. Ständig nimmt sie meine Hand, nickt und fuchtelt aufgeregt und kommentiert das Ganze mit mir unverständlichen Wörtern. Fatima, die älteste Schwester, beäugt mich eher misstrauisch, während die jüngere Aisha mir in der Küche auf dem Boden sitzend auf Berber sämtliche Körperteile vorsagt, die ich selbstverständlich wiederholen muss. Außerdem zeigt sie mir die präparierten Schaffelle vom kürzlich zu Ende gegangenen Aid el-Kebir, auf die sie offensichtlich sehr stolz ist. Umso mehr ärgert mich Brahims Rüpelhaftigkeit, mit der er es seiner kleinen Schwester aus den Händen nimmt, zusammenrollt und mir als Geschenk überreicht. Den erschrockenen Gesichtern seiner Familie entgegnend versuche ich, es nicht anzunehmen, doch alles, was ich bisher über marokkanische Gastfreundschaft gelernt habe gipfelt nun in der Erkenntnis, dass es dafür zu spät ist und ich das Fell an mich nehmen muss. Wir bedanken uns also 1000 Mal und ziehen mit unserem Fell von dannen. Brahim hat eindeutig zu viel Bier intus und wir nun leider endgültig ein Souvenir an Aid el-Kebir.

Es ist spät und ich bin hundemüde, aber Brahim besteht darauf, dass wir noch mit zu den Nachbar kommen, wo Awache, Berber Hausmusik gespielt wird. Ich will einfach nur schlafen, aber unser Gastgeber ist nicht zu stoppen. Zu allem Überdruss herrscht bei den Nachbarn strikte Geschlechtertrennung, sodass ich mich unvermittelt in den hintersten Raum begeben muss, wo ich zwischen einem Haufen junger Mädels lande, die mich schon wieder extrem spannend finden. Kadija nimmt sich meiner an, auch die anderen sind sehr freundlich. Sie singen für mich ein Lied, ich muss ein wenig mit ihnen tanzen, dann tauschen wir noch Telefonnummern aus. Ihre Freundlichkeit ist überwältigend, trotzdem will ich nur noch ins Bett. Irgendwann werden wir auch Brahim und seinen sturzbetrunkenen Freund los … und jetzt bitte nur noch schlafen!

Die ganze Nacht träume ich von der „marokkanischen Gastfreundschaft“ – beinahe verfolgungswahmäßig! Ich werde die Typen nicht los, muss ständig essen und Tee trinken! Dreimal wache ich auf und wenn ich wieder einschlafe, träume ich dort weiter, wo ich aufgehört habe, und der Gastgeber ist immer noch da! Beim Frühstück sagt Alex zu mir: „Ich hoffe, dass wir heute keinen von gestern wieder treffen.“ Kaum hat er es ausgesprochen, hält ein Auto vor uns und wer steigt aus???? Brahim und sein offensichtlich noch nicht ganz ausgenüchterter Freund. Ich möchte schreien!

Ich beschließe, ein paar ruhige Moment im Hamam zu versuchen und habe Glück. Nur zu viert sitzen wir im Bade und ich genieße die Zeit für mich. Wie ich ja jetzt gelernt habe, runde ich den Hamam Besuch mit einem Cool down im ersten Raum ab, bevor ich das Ganze mit Handtuch und Körperlotion beschließe. Ich will mich gerade anziehen, als mir die Kinnlade bis zum Fliesenboden hinunter stürzt. Brahims skurrile kleine Mama und seine Schwester Fatima kommen mir entgegen. Bereits entkleidet und ihren faltigen Hängebusen entblöst, wird mir eine stürmische Umarmung seitens der Mama zuteil. Auf wiederum wildes Deuten mit dem Zeigefinger strecke ich ihr meine Kokosmilch entgegen – als kleine Wiedergutmachung für das ihnen verlustig gegangene Schaffell. Das weitere Fuchteln interpretiere ich als Frage, ob ich denn schon fertig sei. Mit einem innerlichen Jauchzen bestätige ich, drückte der herzigen Mama euphorisch die Hände und flüchte aus dem Hamam! 

Bitte raus aus Tata! Wir haben zwar mit Brahim einiges erlebt und seine großartige Familie kennengelernt, aber auf Dauer sind uns diese rastlosen Marokkaner einfach zu anstrengend. Wir schaffen es heute noch bis zur Palmenoase Tissint. Kurz dahinter folgen wir einer Beschreibung aus dem Reiseführer und schlagen unser Lager ein wenig abseits der Straße an einem kleinen Flusslauf auf. Ein ruhiges Plätzchen mit Palmen, bizarren Felsen und Wassertümpeln. Heute ist Vollmond und als dieser am Firmament empor steigt, erstarre ich fast, so schön sieht das aus …

Fortsetzung folgt …

4 Antworten auf „Teil 3 – Marokkanische Gastfreundschaft“

Warum bist du eigentlich nicht nur Pferdefotografin, sondern auch noch Buchautorin geworden! So toll dein Reisebericht und so lebendig, besonders heute musste ich viel lachen!lb gr

Heute hab ich auch viel gelacht,du hast wirklich schon viel erlebt,deine Erzählungen sind sehr lebendig…weiter so!!

Ja Julia, ich kann mich Gitti und Angelika nur anschließen. Es war wieder eine sehr interessante und lustige Reise und ich konnte deine „gastfreundschaftliche Müdigkeit“ regelrecht spüren ?? ich freue mich schon auf eure nächsten „exotischen Abenteuer“ ……

Julia ich bin begeistert, so wie du das erzählst ist fantastisch, ein liebes gastfreundliches Volk , doch diese rastlosen Marokkaner wären mir eindeutig zu anstrengend….freue mich schon auf das nächste Abenteuer

Schreibe einen Kommentar zu Sabine Sailer Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert